Alpinklettertour Gimpel 2173m via "Neue Südostkante"

Region: Tannheimer Tal, Allgäu

Technische Daten: 12 Seillängen, 280 Klettermeter, Überwiegend +/-5, gelegentlich leichter. Mehrere Seillängen bis zum 6. Grad, eine kurze Wandstelle 7- bzw. 6 A0

benötigte Zeit:
Zustieg zum Einstieg 2h, Kletterei 5h, Abstieg bis Tal 2h,

In der Summe: ca 9h.

Zur Vorgeschichte:

Meinen Kletterpartner Simon habe ich mehr oder weniger kennengelernt bei meiner Tour mit Niklas vor 10 Wochen auf die Verpeilspitze über den Nordgrat.

Also eigentlich nicht, ich habe Fotos am Parkplatz gemacht, wo Simon zufälligerweise drauf war. Nachdem ich den Tourenbericht bei Facebook hoch geladen habe, hat er mich angeschrieben und um die Bilder gebeten. Sorry nochmal, dass es so lange gebraucht hat!

Nach einem kurzen Chat haben wir festgestellt, dass es doch auch mal cool wäre, gemeinsam etwas zu unternehmen. Da aber bei mir bis Mitte Oktober recht ausgebucht war, sind wir erst jetzt dazu gekommen.

Also haben wir uns überlegt, wie wo und was wir machen, und haben uns dann auf das Tannheimertal festgelegt, da aus Stuttgart in nur knapp 2h zu erreichen und dementsprechend gut als Tagestour zu machen.

Das Wetter fürs Wochenende sollte passen, also haben wir den Samstag auserkoren, um dort die Tour zu machen.

Die Route haben wir mehr oder weniger gemeinsam ausgesucht, nur dummerweise habe ich mir das Topo nicht gut genug angeschaut. Hätte ich im Vorfeld gesehen, dass die schwierigste Stelle mit 7- A0 bewertet ist, wäre ich die Tour wahrscheinlich nicht als erste Tour mit ihm gegangen. Ich klettere zwar sicher im 5.-6. Grad, allerdings bin ich bisher erst ein Mal eine Route schwerer als 6+ geklettert. Eine Sportkletterroute, bei der ich noch "fresh" war.

Wie sich mein Körper nach 8 Seillängen und mit Rucksack verhält, wenn ich dann eine 7- A0 klettern "muss", das wusste ich noch nicht. Jetzt weiß ich es :)

Der Zustieg ging recht fix von der Hand, obwohl ich vom Laufen zwei Tage davor noch etwas müde Beine hatte. Merke: Wenn am Samstag eine Tour ansteht, mache am Donnerstag keinen zu anstrengenden Lauf.

Gestartet sind wir um kurz nach 8 Uhr aus dem Tal bei Nesselwängle vom Parkplatz pünktlich zum Sonnenaufgang, welchen wir dann während dem Zustieg erlebten.

Nach rund 800 Höhenmetern und 2h gemütlichem gehen erreichten wir dann auch bereits den Einstieg der Tour bei strahlendem Sonnenschein und noch phantastischem Wetter. Das sollte sich im Laufe der Kletterei wohl ändern.

Nach den ersten zwei Seillängen im Bereich 4- und 3+ zum aufwärmen fing dann an, was auch in der Wettervorhersage stand: Föhn!

Wie doof ist das denn? Man hört sich selbst nicht mehr Schreien, ob das Kommanto Stand, Nachkommen, Seil ein oder sonst etwas ist. Mein erster Gedanke war: Hoffentlich müssen wir die Tour nicht abbrechen. Mein zweiter war: Wie nice wären eigentlich jetzt Walkie-Talkies? Und mein dritter: Seilkommandos müssen ausgemacht werden!

Als Simon dann am Stand ankam, haben wir auch Seilkommandos ausgemacht. hat im späteren Verlauf sogar was gebracht! Und so stiegen wir weiter abwechselnd eine Seillänge nach der anderen vor, riefen Stand, Seil frei, Seil aus, usw...

Und dann kamen die ersten zwei Seillängen im 5. Schwierigkeitsgrad. Wahnsinnig schöne Kletterei! sehr steil, ausgesetzt, viel Luft unterm Hintern. Hier wäre ich mega gerne vorgestiegen, aber ich hatte dieses Vergnügen dann bei anderen schönen Seillängen. Denn je weiter hoch man kam, desto anhaltender wurden die Schwierigkeiten. Der Fels war durchweg sehr kompakt, und wir hatten wohl an dem Tag ein tierisches Glück:

Keine Einzige andere Seilschaft in der Tour! Somit auch kein Steinschlag, kein Stau!

Wovon wir allerdings mehr als genug hatten, war Wind! Denn je weiter hoch wir kamen, desto mehr Wind war auch anwesend. Das hat das verständigen untereinander massiv erschwert, und hat doch die ein oder andere Bandschlinge einem um die Ohren geweht.

Und dann waren wir bei der wahrscheinlich berühmtesten Stelle dieser Route:

Der sogenannte Fingerloch Quergang. Die erste Seillänge im 6. Grad, also die erste wirklich "anspruchsvolle" Länge. Ich hatte das große Vergnügen, sie vorzusteigen. Beim ersten Blick habe ich gedacht: Wo sind da die Griffe?

Und wo sind da die Tritte? Aber tatsächlich löst sich das recht schnell auf. die Griffe sind alle recht logisch platziert, für keinen Tritt muss man sich groß verrenken. Aber es würde ja nicht Fingerlochquergang heißen, wenn man nicht mit wenigen Fingern fest an den Löchern zupacken müsste. Eine tolle Seillänge mit bombastisch gutem Fels!

Danach hat sich das Gelände etwas zurück gelehnt, so dass wir über steile, aber gut griffige Platten zur "Verschnaufer"-Seillänge weiter gehen konnten. Mittlerweile hatten wir auch einen ordentlichen Tiefblick, welcher mich wirklich faszinierte. Du musst wissen, dass meine bis dato längste Mehrseillängentour im Mai auf den Aggenstein ging. Die war mit 4 UIAA bewertet, bei weitem nicht so steil und mit deutlich weniger Tiefblicken dieser Art.

Angekommen am Standplatz von Seillänge Nummer 8 gab es mit 2er und 3er Schrofen-Gelände eine kurze Erholung. Genauso wie es die auch für meine Füße gab, denen ich eine kurze Pause von den Kletterschuhen genehmigte.

Jo, und dann waren wir auch schon kurz unterhalt der Schlüsselseillänge angekommen. Aus dem Topo war aber nicht genau ersichtlich, wie es hier weiter geht, zumal wir auch an diesem Pfeiler über uns keinen Bohrhaken sahen, was der Tour etwas widerspricht. Diese wird nämlich beschrieben als fast schon plaisiermäßig abgesichert. Kann ich so bestätigen!

Manchmal sind die Abstände zwischen den Haken doch recht weit, aber ein Mitbringen von Friends und Keilen ist tatsächlich überflüssig.

Nach der Tour habe ich in einem youtube Video gesehen, dass jemand hier straight hoch geklettert ist. Dürfte so auch passen, weil das der logische Verlauf der Tour ist. Wir haben uns dagegen entschieden, weil wir einfach keinen Bohrhaken sahen. Also sind wir links ausgewichen und über eine Platte nach links, nur um dann wieder nach rechts zu queren. Schade. Das hat uns ca 30 Minuten gekostet, was in anbetracht der aufkommenden Regenwolken und dem weiterhin unbändigen Wind keine schöne Sache war! Ich habe ganz schön gefroren am Stand.

Schlussendlich standen wir dann aber endlich an der Schlüsselstelle der Tour.

Seillänge Nummer 10, welche mit einem kleinen Überhang beginnt, welcher mit 7- bewertet ist.

Ob diese Bewertung gerechtfertigt ist? Nunja, ich weiß es nicht!

Die Schwierigkeit hier ist, nicht, dass die Griffe klein sind oder man keine Tritte hat, nein. Die Schwierigkeit liegt an der Speckigkeit dieser Stelle. Und nach 9 Seillängen in den Händen, und schon leicht einsetzender Erschöpfung war ich nicht mehr sooo motiviert, hier große Kraftübungen auszupacken.

Versteh mich nicht falsch, ich habe tatsächlich versucht, die Stelle frei zu klettern, Griffe und Tritte hatte ich auch in der Hand, bzw an den Schuhen. Aber ich hab mir dann nach wenigen Versuchen gedacht:

Ist der Rotpunkt ruiniert, nullt es sich ganz ungeniert! :D

Und gesagt getan habe ich beherzt in die Exe gegriffen. Wenn die Tour sowieso mit A0 angegeben ist, dann muss ich es mir ja nicht unnötig schwierig machen :)

Der Rest bis zum Gipfel war dann so ein proforma Ding.

Hier bisschen steile Risskletterei, da eine ausgesetzte plattige Querung.

Und dann nach etwas unter 5h in der Wand der Ausstieg aus der Route an den Gipfel.

Kurzer Snack, kurz was getrunken, schnell ein Foto gemacht, bzw machen lassen (danke an Jürgen! Maschine, dass du da deine Sony Alpha 7 hoch geschleppt hast!).

Und dann auch wieder bergab gen Tal in Bewegung gesetzt.
Und tatsächlich auch mit einem sehr guten Timing!

Weil: Genau als wir oben ankamen, ginf es leicht an zu regnen. was war ich froh um meine Hardshell!
Und: Meine Freundin hat gefragt wie lang wir für den Abstieg brauchen. Ich habe 2h geschätzt, und damit dann eine Punktlandung getroffen.

Föhnwetter soll wohl auch für tolles Licht sorgen, so hatten wir dann eine echt mystische Lichtstimmung im Abstieg und auch dann auf der Heimfahrt.

Fazit zur Tour:

Sehr schöne Kletterei an tollem Fels, die definitiv empfehlenswert ist!
Ob ich mit jemandem nochmal eine Tour zum kennenlernen mache, die klettertechnisch an meinem Könnenslimit ist, bezweifle ich. Wobei man dadurch natürlich auch gepushed wird.

Hier ist alles gut ausgegangen, beide konnten alle relevanten Sicherungstechniken, dementsprechend hat das schon gepasst! Es war eine tolle Tour, und mit Simon werde ich definitiv wieder Klettern/Touren gehen!

© 2021 Patrick Wörner

CLIMBER PROTECT

als Bergsteiger perfekt abgesichert