Region: Pfitschertal (Zillertaler Alpen)

Technische Daten: D-, 45-50° Firn, Eiskletterei bis ca 70°

benötigte Zeit:
Zustieg bis Wand 2h, Wandfuß bis Gipfel 6h45min, Abstieg 3h inklusive Pausen

Das war sie also, meine erste richtige Nordwand Tour. Weil das Rubihorn über die Nordwand im März war in keinster Art und Weise mit dieser Tour vergleichbar. Nicht nur sind fast doppelt so viele Höhenmeter zu machen, sondern ist der Charakter der Tour auch ein anderer, ernsterer.

Das fängt schon mit der Uhrzeit an, zu welcher der Wecker klingelte. 03:15 Uhr. Ein richtiger Pain, an den ich mich wohl nie gewöhnen werde. Aber es hilft alles nichts. So standen wir, das sind Aaron, mit dem ich am Tag zuvor noch in der Martinswand bei Innsbruck eine kurze Mehrseillänge geklettert bin, Anna, mit der ich schon viele Touren gemeinsam gegangen bin, und Mario, mit dem ich im Sommer die Geiselstein Nordwand geklettert bin, alle dann schlussendlich auf und frühstückten. Kurz alles überprüfen, rein in die Klamotten und gegen 4:20 Uhr war Abmarsch an der dritten Kehre nach St. Jakob im Pfitschertal. Schneekontakt hatten wir schon recht früh nach nicht einmal 100 Höhenmetern. Es ging in einem gemütlichen Tempo Richtung Günther-Messner-Biwak, zu dem etwa 750 höhenmeter und knapp 4,5km zurückgelegt werden mussten. Der Sternenhimmel war klar und die Luft angenehm kalt.

Angekommen am Wandfuß stand sie also vor uns, die Hochferner Nordwand mit ihren bedrohlichen 950 Metern Höhe. Schnee wechselte sich mit Eis ab und von oben funkelten schon die Seracs. Nach etwas unter 2h Zustieg wich die Nacht auch so langsam dem Tag, so konnten wir im unteren Teil der Nordwand mit Blick Nach Norden den Sonnenaufgang seine Magie an den Berggipfeln vollziehen sehen. Es war wunderschön. Nur sollte der Blick nicht zu lange nach hinten gerichtet sein, schließlich hatten wir ja ein etwas größeres Ungetüm direkt vor uns, welches erklettert werden wollte.



Das erste mal Eiskontakt hatten wir beim unteren Steilaufschwung. es war nur eine kurze Stelle, keine 2 Meter, diese war nicht schwer, aber durch dünnes Eis auf abschüssigen Felsplatten nicht ganz so angenehm zu klettern. Mario ging vor, Anna und Aaron folgten, ich zu guter letzt. Man musste nicht mal bergauf klettern, sondern durch einen Spreizschritt nach rechts hoch auf die Platte wechseln aufs Eis. Danach ging es weiter im gemütlichen Schneestapfen um einen kleineren Eispanzer herum, welchen Mario kurzerhand direkt überkletterte, dem eigentlichen Objekt der Begierde und der Schlüsselstelle der Tour entgegen:

Dem zweiten Steileisaufschwung. Dieser beinhaltet die Hauptschwierigkeiten der Tour, welcher auf verschiedenen Wegen erklommen werden kann und jetzt auch richtiges Eisklettern ist! Je weiter rechts man geht, desto moderater werden die Schwierigkeiten. Anna und Aaron wählten der Weg rechts durch eine Art Eisrinne. Diese war etwa 50-55° steil nach meinem Gefühl.

Mario und ich hingegen wählten einen eher direkten Weg, das war, für mich zumindest die falsche Entscheidung... Wirklich steil ist davon nur die erste Seillänge, aber das war für mich auch direkt ein Kaltstart. Hatte ich doch das letzte Mal meine Eisgeräte am Rubihorn in der Hand und vergangenen Winter nicht übermäßig viel Erfahrung im Eisklettern sammeln können, erwies sich die erste Seillänge für mich als zu schwer. Ich war ehrlich gesagt überfordert und habe die Basics wie das Anlegen einer Selbstsicherungsschlinge einfach vergessen. Shame on me, das darf mir, der für Sicherheit am Berg steht, eigentlich nicht passieren! Und weil ich in der Situation überfordert war und eins zum anderen kommen muss, musste ich auch einen kleinen Nachstiegssturz in Kauf nehmen. So habe ich mich, als ich am Stand mit heftigem Pump angekommen bin, mit 2 Expressschlingen eingeclippt und musste mich erst mal sammeln. Einfach mal runter kommen und alles in Erinnerung rufen. Definitiv der falsche Ansatz. Das hätte man davor machen sollen. Danke Mario für die kurze "Aufwach-Watschn", die waren bitter nötig. Warum ich das hier schreibe? Weil jeder immer von der perfekten Tour, tollem Wetter und tollen Bedingungen postet. Aber dass auch mal etwas nicht ganz glimpflich ablief, das verschweigen die meisten.

Die zweite Seillänge ging dann ganz gut, so dass ich mich wieder sammeln konnte, und dann zu guter letzt die dritte Seillänge sogar vorsteigen konnte. Der Rest war mehr oder minder proforma. Schneestapfen vom feinsten, kurz einen Absatz neben einer Gletscherspalte hochpickeln, und schon ist man oben im "Gipfelbecken", welches man dann über eine letzte Firnflanke und einen kurzen Schlussanstieg zum Gipfel verlässt.

Am Gipfel war es am Sonntag tatsächlich gar nicht mal so gemütlich, da der angekündigte Südföhn ordentlich Druck gemacht hat. Die perfekte Weitsicht mussten wir trotzdem kurz genießen, aber dann nach einem schnellen Gipfelselfie ging es dann dennoch zügig zum Abstieg über.

Dieser führt erst über einen schmalen Grat bis zu einer Abkletterstelle und dann einfach runter zum Weißkarferner, welchen man Richtung Westen bis zum Sommerweg absteigt. Die Schneeverhältnisse auf diesem waren alles andere als toll, so ist man regelmäßig tief eingesunken, was den Abstieg mit 3h Länge noch mal sehr mühsam gemacht hat. Aus dem Grund haben wir auch nochmal kurz Pause gemacht, und Aaron hat seine Gipfelpizza ausgepackt, die er am Gipfel wegen des Windes nicht essen konnte. Als wir dann endlich am Auto angekommen sind waren wir alle recht paniert, aber glücklich über die geschaffte Tour.

Fazit zur Tour: Lang, abwechslungsreich, und man sollte davor mal ein paar Tage Eisklettererfahrung sammeln. Ich habe meine Eiskletterfähigkeiten etwas überschätzt und bin froh, mit einer kleinen Watschn davongekommen zu sein. Ich denke eine weniger steile und weniger ernste Tour hätte es für den Anfang auch getan.

© 2021 Patrick Wörner

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