Alpine Gratklettertour Kellenspitze 2238 über Westgrat

Region: Tannheimer Tal, Allgäu

Technische Daten: Maximal III UIAA, Steilgras 45-50°

benötigte Zeit:
Zustieg zum Einstieg 2h, ?, Abstieg bis Tal 2h,

In der Summe: ca 8h wenn man die Tour schafft

Wie so oft, werden Planungen über den Haufen geworfen.

Was nicht über den Hauf geworfen worden ist war, dass mit Anna für das Wochenende eine Tour geplant war. Nur was? Skitour im Stubai? Nordwand Weißseespitze? Clariden Nordwand? Nagelfluhkettenüberschreitung?

Teils scheiterte es am fehlenden Equipment, teils an der fehlenden Erfahrung, meist am fehlenden Schnee.

Und so entschlossen wir uns, ins Allgäu zu fahren. Habe ja vor ein paar Wochen die Gimpel Südostkante gemacht und schon damals, was klingt, als wäre es schon Jahre her, gesagt, dass ich wieder kommen werde.

So trafen wir uns morgens um kurz nach 7 in Nesselwängle am Parkplatz, um gegen 7:20 Uhr den Marsch zum Gimpelhaus anzutreten. Direkt als wir dort ankamen, ging die Sonne auf, was einfach nur wunderschön war!


Mit Blick auf Rote Flüh, Hochwiesler und kurz danach auch auf Gimpel, welche allesamt einen schönen Sonnenaufgang abbekommen haben, haben wir das Gimpelhaus direkt hinter uns gelassen, um weiter Richtung Nesselwängler Scharte aufzusteigen.

Auf dem Weg dahin wurden wir auch erst mal von einer Gamsfamilie beobachtet und dann auch angepfiffen, weswegen wir entschlossen, eine kurze Trinkpause zu machen, um die Familie nicht zu sehr zu stören.

Eines der Tiere fand uns wohl sehr interessant, und ist stolz an uns vorbei marschiert, um dann in einem Affenzahn wegzurennen, nur um dann wieder 2 Minuten später Retour zu kommen. Was in den Köpfen der Tiere vorgeht, weiß wohl keiner so genau. Aber schön sind sie allemal.

Im Hintergrund sieht man hier links den Hochwiesler, einen Ausläufer der Roten Flüh ganz rechts oben im Bild.

Mal sehen, vielleicht verschlägt es mich ja kommenden Winter auch auf diese zwei Gipfel.

Uns verschlägt es erst mal weiter Richtung Kellen, Köllen- oder Kellespitze. Welche Bezeichnung ist jetzt eigentlich die korrekte? Naja auch egal, auf jeden Fall haben wir schon Sonne im Gesicht, was trotz spätherbstlicher Temperaturen zum Ausziehen der Jacke bewegt hat.

Angekommen an der Nesselwängler Scharte befindet sich schon direkt im Blickfeld der Westgrat der Kellenspitze.

während der sich Anfangs noch als leichtes Kraxelgelände zeigt, sieht man am rechten oberen Bildrand bereits die erste Felsflanke aufragen. Recht steil, dafür schneefrei, und wie sich herausstellt, auch recht Griff- und Trittfrei (oder sagen wir mal Griff und Trittarm).

Weil der Westgrat angegeben ist mit Stellen im 3. Grad, machen wir uns nichts daraus und denken, ahjo basst eh scho, machen wir uns auf den Weg zu der Stelle, die sich dann beim ersten berühren als gar nicht mal so trivial herausstellt. Trotzdem steigen wir ein ohne Seil weil wir beide einen 3. Grad auch sicher ohne Seil klettern können.

Wenn die Stelle aber gar nicht im 3. Grad ist?...

Gegen oben hin nahmen die Griffe und auch Tritte rasch ab, weshalb wir an der Stelle den ersten Rückzug machten. Diese Felsflanke dann umgehen und über einen anderen Weg hochsteigen? Mal sehen...

Kletterschwierigkeiten sind das Eine, aber Bedingungen, die Anna nicht einkalkuliert hat, sind das andere.

Da muss ich schon mit erhobenem Zeigefinger sagen: Wer geht Ende November auf eine Bergtour ohne Steigeisen und Pickel? Also ich offensichtlich nicht ;)

Wir versuchten dann, die Steilgras Flanke, welche mit einzelnen Steinpassagen durchsetzt war, aufzusteigen.

Allgäuer Steilgras Mixed Kletern sozusagen.

Für mich ging das super gut. Leichter Eispickel in der Hand, wenn kein Stein da war, hielt der halb gefrorene Turf/Boden super gut, so dass hier noch keine Steigeisen nötig waren. Ich stieg vor. Anna, die Klettertechnisch zwar stärker ist als ich, aber ausrüstungstechnisch in diesem Fall leider nicht, hatte sichtlich ihre Schwierigkeiten.

Und weil man das Glück nicht herausfordern sollte, eine mit Pulverschnee bedeckte Steilgraspassage ohne Steigeisen und Pickel beklettern zu wollen, entschlossen wir uns hier gemeinschaftlich, umzukehren. Anna hatte schlicht und ergreifend nicht damit gerechnet, dass nordseitig noch so viel Schnee liegen könnte, der Pickel und Steigeisen im November notwendig macht. Außerdem Allgäu und Steigeisen, wie passt das zusammen?

Hätten wir es durchgezogen, dann wäre hier definitiv eine Situation entstanden, die die Unfallversicherung herausgefordert hätte.

Anna hat schon Leistungen von ihrer Unfallversicherung erhalten. Ich ebenfalls (nicht beim Bergsteigen, das ist eine andere Geschichte)

Umkehren war hier definitiv die richtige Entscheidung! Dafür sollte man sich niemals schämen!

Ich erzählte ihr dann von Touren wie z.B. Höfats und Rädlergrat, wie auch ohne Schnee Steigeisen erfordern, was zu hochgezogenen Augenbrauen führte.

Auf jeden Fall haben wir nach dem Rückzug den Weg durch die Südseite an der Kellenspitze vorbei genommen. Ein kurzer Stop am Klettersteig, den wir nach 30-50 Metern Klettersteiggehen direkt wieder verworfen haben. Ich mag die Dinger einfach nicht. Eine künstliche Linie, hauptsache durch einen schweren Teil vom Fels gezogen, um sich dann am Drahtseil hochzuziehen, das missfällt mir einfach. Ich klettere lieber direkt auf Fels.

Also traten wir den Weg ins Tal an, in dem wir dann auch vor 15 Uhr ankamen, um in Sonthofen einen Kaffee zu trinken und den Tag ausklingen zu lassen.

Eine der wenigen Touren dieses Jahr, die leider nicht geglück sind. Das ist nicht schlimm, keinesfalls. Alle Beteiligten haben daraus gelernt. Keiner ist zu schaden gekommen, und eine Wanderung mit 14km und 1000hm ist es dann auch noch geworden. Insofern war also alles gut :)

Wird auf jeden Fall wiederholt! Vielleicht noch diesen Winter? Mal sehen!

© 2021 Patrick Wörner

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