Gratüberschreitung via Ostgrat 3361m

Region: Stubaital

Technische Daten: AD+(ZS+), 30° Gletscher, Kletterei bis IV UIAA, Achtung: fast alles mobil abzusichern!

benötigte Zeit:
Biwakzustieg 2h 45 min, Gipfelaufstieg 5:00h, Abstieg bis Tal 6:00h,

In der Summe: ca 13:45h.
1980hm, 32km Hin und zurück

Schon allein diese Zahlen sollten zu denken geben. Nicht umsonst gilt die Wilde Leck als 3361m hohe Felsbastion als am schwersten zu erreichender Gipfel der Stubaier Alpen. Aber was will man machen, wenn das Ziel sehr erstrebenswert ist, und der eigentliche Plan mit dem Alphubel aufgrund von Wetter nicht umgesetzt werden konnte.

Ich empfehle dir, lieber Leser: Mach den Zustieg mit dem Mountainbike. Vor allem Bergab wirst du es dir danken.

Das schöne am Stubaital: Für mich als Stuttgarter reeeelativ easy zu erreichen. Die Anfahrt ist nicht so ätzend lang wie bei anderen Gebieten wie z.B. vor kurzem die Hohen Tauern.

Letztes Jahr habe ich hier das Zuckerhütl bestiegen als eine meiner ersten Hochtouren und fand das Stubaital direkt sehr ansprechend und habe mir geschworen, dass ich wieder komme! Dass es dann direkt die Wilde Leck sein wird, damit hätte ich nicht gerechnet.

Man hört von der Wilden Leck alle möglichen Horrorstorys.
Erst mal ist sie in Walter Pauses "Im schweren Fels" als Tour vertreten, weshalb das schon mal respekteinflößend sein sollte.
Dann hört man Horrorstorys von Steinschlag und schwerer Wegfindung.
Die einzige Story die ich bestätigen kann ist: Laaanger Hatscher.

Und so fangen wir am Samstag gegen 16 Uhr in Gries an mit unserem Aufstieg.
Laut Internet benötigen wir ca 1,5h zur Amberger Hütte auf 2100m. 1h15min später standen wir also dort und haben uns mit Anna getroffen, die Auf- und Abstieg mit dem Rad gemacht hat. Definitiv die klügere Variante.

Unser Tagesziel war aber nicht die Amberger Hütte, da diese leider voll war, und wir uns den nächsten Tag etwas abkürzen wollten. Und weil die Waden und Oberschenkel schon mal warm gelaufen waren, beschlossen wir, noch weiter zu gehen Richtung Sulztalferner, und uns ein schönes Plätzchen für die Nacht zu suchen.

Fündig sind wir geworden!

Nachdem wir noch im Hellen das Biwak aufgebaut haben, hat Marius einfach einen ganzen Laib Brot ausgepackt. Geiler Typ! Sowas da hoch zu schleppen, meinen größten Respekt! Also gabs erst mal ein vernünftiges Abendessen. Außerdem hatten wir fließendes Wasser, weshalb wir auch vernünftig Trinken konnten, nachdem das Wasser abgekocht wurde.

Und so langsam hat der Himmel auch zur Wettervorhersage gepasst:
Er zog auf! Je dunkler es wurde, desto klarer wurde der Himmel, weshalb wir erst mal die Sterne, angeschaut haben, bevor wir schlafen gegangen sind.

Sogar die Milchstraße war zu sehen!
Zugegebenermaßen, ich bin nicht der beste Sternenfotograf, aber mit dem Ergebnis bin ich bis auf die Lichtvermutzungen der Wolken durch Imst und Innsbruck ganz zufrieden!

Dafür lohnt es sich jedes Mal, die 1 kg schwere Nikon Z6 mit dem 14-30mm Weitwinkel mitzuschleppen.
Denn jedes Mal, wenn ich sie nicht dabei habe, bereue ich es. Okay, ich bereue es auch jedes Mal, wenn ich sie dabei habe, weil 1kg zusätzlich zu dem Biwakgepäck natürlich eine Ansage ist. Aber da muss man eben durch..

Gegen 22 Uhr haben wir uns dann alle ins Biwak gelegt, damit man von genug Schlaf zehren kann, um den nächsten Tag nicht nur zu überstehen, sondern mit frischen Beinen und ausgeschlafen den Tag auch genießen zu können. Immerhin haben wir im Gegensatz zu den anderen Wilde Leck Aspiranten Knapp 350 Höhenmeter weniger zurückzulegen heute!

So starteten wir leider (meine Schuld weil Wecker nicht gehört) mit 30 Minuten Verspätung um 6:30 Uhr den Aufstieg die Gletschermoräne zum Sulztalferner hoch. knapp 30 Minuten hat das gedauert vom Biwak aus, der Weg ist super zu gehen und bestens markiert, da konnte man etwas Tempo machen. 250 Höhenmeter in 30 Minuten im Halbschlaf sind dafür ganz gut würde ich sagen. Pro Tip: Packe noch am Abend davor deinen Rucksack, dann vergisst du am nächsten Morgen nicht die Steigeisen am Biwak, und sparst dir dann, 2x zu laufen...) . Am Gletscher angekommen (der ist mehr oder weniger Aper, hier unbedingt weit rechts halten, denn dort sind keine Spalten) hieß es Steigeisen anziehen, und 250 Höhenmeter zurücklegen bis man auf Blockgelände stößt, welches in Serpentinen und leichter Kraxelei zum Ostgrat führt. Hier erlebten wir den Sonnenaufgang. Schon schön. Dafür hat sich das frühe Aufstehen gelohnt.

Im Aufstieg im Blockgelände Richtung Ostgrat ist mir immer wieder meine Redewendung von der Hochalmspitze eingefallen: Blockgelände ist Kein-Bock-Gelände. Ständig rutscht und bricht etwas unter dir weg, Lockere größere Blöcke lassen kein schnelles Vorwärtskommen zu und manchmal musst du Stufen nehmen, dass du dir Vorkommst wie bei einem Einbeinigen Squat mit 10kg auf dem Rücken. Hier merke ich: Kraftausdauer ist mein Manko. Im Herbst bis Frühjahr werde ich also Trainieren. Eigentlich trainiert man Beine ja nicht, die sieht man ja in der Disco nicht.. Aber was muss, das muss.

Angekommen am Ostgrat auf ca 3100m offenbart sich erst mal eine tolle Rundumsicht über den Sulztalferner. und die angrenzenden Gipfel. Weit hinten sieht man sogar das Zuckerhütl. Um am Anfang des Grats schnell Meter zu machen, beschlossen wir, den ersten Teil (Laut Topo die ersten 5 Seillängen) Seilfrei zu gehen.

 

Topo: Bergsteigen.com

Es folgte ein schöner Steilaufschwung, der uns dann auch direkt Sicht auf die Schlüsselstelle, einen Piazriss im IV Grad UIAA und auch auf den Gipfel werfen ließ.
Der Piazriss stellte sich als überraschend einfach heraus. Trotzdem war ich happy, dass Anna hier Friends gelegt hat. Die Griffe waren nicht ganz trivial, aber mit der entsprechenden Piaztechnik ging es dann problemlos.

Im oberen Teil des Grats war selbiger regelmäßig recht ausgesetzt, die Kletterschwierigkeiten hielten sich aber in Grenzen. Einen IVer UIAA mobil Sichern solltest du aber schon beherrschen, wenn du hier auch in den Genuss des Vorstiegs kommen möchtest. Denn ein Genuss ist es allemal! Am Grat ist der Fels bombenfest, griffig, nicht speckig und einfach schöner Gneis.

Überall lassen sich Schlingen (mehr 120er als 60er mitnehmen!) und Friends platzieren.

Also bin ich das letzte Viertel des Grates vorgestiegen, um ebenfalls in den Genuss zu kommen. Das schöne ist:

Der Blick zurück immer mit toller Aussicht! und von hier oben sieht der Grat und die Kletterei echt mega spannend aus!

Und dann war es das eigentlich auch schon..
Schade! Der Grat war viel zu kurz, viel zu schön, und wird immer in toller Erinnerung bleiben.

Vielleicht geht dort auch mal ein Aufstieg im Winter? Mal sehen.

Wer denkt, dass hier die Schwierigkeiten enden, und man kurz mal easy einen Normalweg runterspazieren kann, der irrt sich hier aber.
Der Abstieg über den Südwestgrat ist stellenweise sehr ausgesetzt, im Spätsommer kann auf der Nordwestseite wie bei uns auch Schnee liegen, was die ein oder andere Querung durchaus heikel macht.

Abseilhaken erleichtern die Abkletter/Abseilpassagen ungemein. aber sobald man es über alle Gegenanstiege rüber geschafft hat, kommt wieder mein Lieblings-Kein-Bock-Gelände. Absteigen im Blockgelände mit Bruch, Staub und Schotter ist einfach kein Genuss. Man steigt ab bis zum tiefsten Punkt des Grates. Dort muss man sich dann nach links (Osten wenden, um dann auf der Rippe rechts zu bleiben, die zur Abseilpiste führt. 2x60m Seil mitnehmen ist hier hilfreich, dann kann man sich beim zweiten Abseilstand bis zum Gletscher ablassen!

Hier heißt es dann: abe abe abe, bis man nach dem Wilde Leck Ferner kurz das Blockgelände zum Sulztalferner quert, um dann die restlichen 15 km Abstieg bis ins Tal anzugehen.

 

Vielen dank fürs lesen!

© 2021 Patrick Wörner

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