Hochtour auf den Monte Disgrazia 3678m (Bei anspruchsvollen Bedingungen)

Region: Bergell, Italien

Technische Daten: AD(ZS), III (UIAA), 40° Gletscher

benötigte Zeit:
Hüttenzustieg 1,5-2h, Gipfelaufstieg 6h, Abstieg bis Hütte 5h,
Abstieg ins Tal 1,5h
In der Summe: ca 14h.
Bei guten Bedingungen reichen 10-11h.

 

Anfahrt: Preda Rossa 1955m

Wichtig hierbei: Google Maps hört bei der Fahrt nach oben zum Parkplatz einfach auf. Wenn man aber dem Weg einfach folgt, dann kommt man unweigerlich am Parkplatz im wunderschönen Hochtal Preda Rossa an.
Von dort aus führt ein rot markierter Weg entlang des Flusses und dann später über Steine sehr gut sichtbar in ca 1,5-2h zum Rifugio Ponti 2559m.

Die Tourenbeschreibungen lügen nicht: Selten besucht aber sehr lohnend. Nicht nur die Tour, sondern auch die Hütte! Vielleicht lag es daran, dass wir von Freitag auf Samstag gegangen sind, vielleicht am nicht optimalen Wetterbericht, wir werden es wohl nie erfahren. Gemeinsam mit uns waren tatsächlich nur noch 2 weitere Bergsteiger auf der Hütte. Morgens wurden wir noch von einer Seilschaft überholt, welche den Berg wohl als Tagestour gegangen ist. Normalerweise haben ja Berge mit der Eigenschaft "höchster Berg von ..." eine recht hohe Frequentierung, das scheint hier aber nicht der Fall zu sein.

Frühstück gab es ab 3 Uhr, das typische Italienische Frühstück mit sehr trockenem Brot, und einer brühe Namens Kaffee, die direkt die Lebensgeister aktivierte. So konnten wir dann bei Vollmond um 4 Uhr morgens starten.
Empfehlung: Am Tag davor einmal den Weg suchen zur Gletschermoräne! Wir sind immer links von der Moräne gelaufen über Geröll, dabei steht in jeder Tourenbeschreibung, dass man auf der Moräne laufen soll. Das hat uns, weil sehr unwegsames Gelände, sehr viel Zeit gekostet. Auf der Moräne ist ein perfekt ausgelatschter Wanderweg, den man morgens super hochlaufen kann. Zumindest hatten wir schöne Aussicht ins wolkenverhangene Tal.

Ungefähr auf 2850m Höhe beim Übergang zwischen Geröll, Schnee und Gletscher legten wir Seil und Steigeisen an und machten uns immer links haltend auf den Weg den bis zu 40° steilen Gletscher hinauf. Die Wolken aus dem Tal folgten uns auf Schritt und Tritt weiter nach oben. Zwischen den Wolken im Tal und denen über uns ging die Sonne langsam auf, während wir den Gletscher immer weiter hoch stiegen. Nach dem steilsten Gletscherstück (Achtung weiter in der Mitte und rechts befinden sich Spalten!) verläuft die Spur etwas weiter nach rechts, zur Sella di Pioda 3387m, eine Scharte, welche den Monte Pioda 3404m vom Monte Disgrazia trennt. Hier befindet sich auch der Einstieg in zunächst leichtes, aber etwas brüchiges Kraxelgelände (II UIAA).

Spannend wird die Kletterei dann, wenn man wirklich oben am Grat angekommen ist nach der ersten Kraxelei. Hier offenbart sich auch erstmals tolle Fernsicht zur Bernina und der Blick auf den beeindruckenden Gletscher unter der Nordwand des Monte Disgrazia, durch den er auch seinen namen bekam ( disgraciare = herabstürzen )

Ab hier wird die Kletterei anspruchsvoller, man sollte den dritten Grad UIAA mit Bergstiefeln idealerweise auch ungesichert beherrschen können, weil durch die geographische Begebenheit des Monte Disgrazia als freistehender Berg Gewitterwolken dort schneller hervorsprießen, als dir lieb ist. Das mussten wir an der Stelle auch erfahren, weil genau hier es anfing, leicht zu nieseln. Die aufsteigenden Wolken aus dem Tal haben den Nordwestgrat ebenfalls erreicht, so mussten wir auf teils nassem Fels bei begrenzter Sicht noch 300 Höhenmeter klettern. Hilft ja alles nichts, dachten wir, also Seil herausgeholt für die erste Schlüsselstelle, einem Turm, welchen man mit Schlingen gut zwischensichern konnte, und der oben rechts umgangen wird. Danach haben wir das Seil wieder weggepackt, bis wir den Gletscher im Abstieg betreten haben.

Nach dem ersten Aufschwung waren wir warmgeklettert, und so ging es weiter über recht leichte Kletterei teils am Grat, teils daneben, teils auch bestimmt komplett abseits der Route immer weiter nach oben. Sogar mit ein paar Metern 45° steilem Blankeis hatten wir zu tun, weshalb wir froh waren, unsere Eisgeräte dabei zu haben.

Die Sicht wurde immer schlechter, der Wind immer stärker, je weiter wir uns dem Gipfel näherten. Mehrmals haben wir als Gruppe einheitlich entschieden, dennoch weiter zu gehen, und definitiv umzukehren, wenn die Bedingungen sich noch mehr verschlechterten.

Angekommen 10m unterm Gipfel wartet dann die berühmte Schlüsselstelle, das Bronzepferd "Cavallo di Bronzo" und ein sehr subtiles Knistern in der Luft auf uns. Ich dachte an der Stelle, dass es von meiner GoPro kommt, welche leicht geknistert hat, kurz darauf am Gipfel stellte es sich aber heraus, dass die ganze Luft elektrisch geknistert hat. Marius wollte ein Gipfelselfie machen und hat einen leichten elektrischen Schlag von seiner GoPro bekommen. Gewitter in der Nähe! Und wir waren am höchsten Punkt in der gesamten Umgebung. Nichts wie runter!

Genau jetzt fing es auch nicht nur an zu nieseln, sondern es kam alles gleichzeitig runter. Schnee, Graupel, Regen, Wind. Wir sind den gesamten Grat mit allen kletterstellen auf nassem Fels seilfrei abgeklettert, da wir jetzt die Kletterschwierigkeiten kennen.. dachte ich und verstieg mich wegen der schlechten Sicht so sehr, dass ich mich plötzlich nicht mehr in 2er oder 3er Gelände, sondern deutlich schwerer befand. Mist. Wieder 20m hoch und einen anderen Weg suchen.

Wieder am Grat angekommen hat es dann geklappt mit dem abklettern. Das verrückte: Nach uns sind noch mindestens 3 weitere Seilschaften hoch. Die Italiener sind schon echt harte Hunde. Hat sich dann aber als nicht ganz so falsch herausgestellt, weil als wir am Gletscher waren, klarte der Himmel auf. Hätten wir ja fast ausschlafen können. Egal!

Im Rifugio Ponti dann noch eine riesen Portion Gnocchi mit Käse gegessen, waren wir frisch gestärkt nach einer 11h Strapaze. Die Wegfindung, kombiniert mit den anspruchsvollen Verhältnissen, dem Klettern auf nassem Fels und dem falschen Weg morgens hat dazu geführt, dass wir nicht 7h, wie in der Tourenbeschreibung, sondern eben 11h gebraucht haben.

Beim Abstieg zum Preda Rossa Tal klarte der Himmel dann komplett auf, so hatten wir wenigstens hier noch schönes Wetter.

 

Fazit:

Gelohnt hat es sich allemal! Der Nordwestgrat "Via Normale" des Monte Disgrazia ist eine tolle Tour für jene, die sich mal an einer technisch etwas anspruchsvolleren Hochtour versuchen wollen, die nicht so überrannt ist, wie der Stüdlgrat am Großglockner.

© 2021 Patrick Wörner

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