Region: Berner Oberland

Technische Daten: D-, 45-55° Firnwand

benötigte Zeit:
Zustieg bis Hütte 4h, Zustieg zur Wand 1:15h, Wandfuß bis Gipfel 4h, Abstieg 6h ins Tal
Gesamt: ca 15h

Das Wetter versprach vieles, die letzten 2 Wochen gab es auch kaum Niederschlag in den Alpen, die Temperaturen waren gut, eigentlich schrie alles nach einer Nordwand. Auch haben Bekannte von mir einige Nordwände in den Wochen davor gemacht. Der Drang raus in die Berge zu gehen war also groß!

 

Nur wo hin sollte es gehen? Aaron, mit dem ich letztes Jahr am Hochferner in der Nordwand war, schlug die Bluemlisalp Nordwand vor, weil wir diese im Oktober eigentlich gehen wollten. Das ging damals nur nicht, weil ich mir 2 Tage vor der Tour meinen Zeh beim Sportklettern in der Halle mies angeschlagen habe.

Also war der Plan, zur Bluemlisalp zu gehen. Nachdem wir zu dritt waren (Steve, Aaron und ich) suchten wir noch einen vierten Seilpartner. Marius sagte zu. Kurz darauf sagte Aaron ab. Dann sagte Anna zu und direkt wieder ab, es war ein planungstechnisches Chaos, das mir fast die Lust auf die Tour vermiest hätte.

Am Ende rollten aber Steve, Marius und ich am Freitag von Stuttgart über den Bodensee bis nach Kandersteg. Wie immer war der Verkehr absolute Qual, so dass aus 4:30h Anreise 7:30h wurden. Also kamen wir nicht wie geplant um 15, sondern um 17:40 Uhr an. Im Netz steht, dass der Zustieg zur Hütte 5 bis 5:30h dauert, so legten wir von Beginn an ein Tempo an den Tag, dass wir zum letzten Sonnenlicht ankommen würden, was auch geklappt hat.

Es ging vorbei am Oeschinensee mit Blick auf Doldenhorn, danach steile Serpentinen hoch auf ein grünes Hochplateau und diesem nach osten folgend immer höher. Die Landschaft wurde karger und schroffer, und es wurde deutlich kühler. Lag es an der untergehenden Sonne, lag es daran, dass wir auf über 2500m Höhe waren und ich nur T-Shirt und kurze Hose anhatte? Man weiß es nicht :)

Angekommen sind wir dann schlussendlich um 21:50 Uhr auf der Bluemlisalphütte auf 2840m Höhe. Wir haben bewusst kein Abendessen gebucht, und dafür hatte jeder 3 Riegel mehr "mitgeschleppt", welche wir unten in der Hütte verspeisten. Fix fertig gemacht fürs Bett ging es dann auch ins Massenlager. Wir waren sehr überrascht: Obwohl laut dem Onlineportal die Hütte ausgebucht war, war unser Zimmer leer. Umso besser, keiner der schnarcht!

Dennoch fiel es mir verdammt schwer einzuschlafen, und dafür erstaunlich leicht, nach nicht mal 3h Schlaf um 3 Uhr aufzustehen, um das frühe Frühstück zu mir zu nehmen. Der Kaffee war sehr willkommen. Kurz nach dem Frühstück alles nochmal überprüft, und dann ging es um 4 Uhr raus in die Finsternis.

Schon auf den ersten Schritten hab ich gespürt, dass die Nacht zu kurz war, und dass ich null erholt und nicht akklimatisiert bin. Dass es von Hütte bis Gipfel nochmal 800 Höhenmeter mehr sind hat nicht gerade für eine Verbesserung gesorgt. Allerdings war der Firn super zu gehen, die Nacht perfekt klar und so ging es im Gleischschritt vorbei am Ufem Stock gen Süden, bis wir danach in ein Joch zwischen Ufem Stock und Wyssi Frau gingen und hier auf den Bluemlisalpgletscher auf 3100m abstiegen.

Da Stand sie vor uns, die Nordwand mit ihren 450 Höhenmetern. Steve ging vor, danach folgte Marius, dessen erste Nordwand heute auf dem Speisezettel stand, und zu guter letzt folgte ich, damit ich auf Marius etwas Acht geben konnte. Da der Firn perfekt war, und wir kein Blankeis im unteren Teil vorfanden, verschwand das Seil vorm Einstieg im Rucksack.

Die Bedingungen waren perfekt. Also wirklich besser hätten sie ehrlich nicht sein können. Der Firn war hart und griffig, es war kalt genug und wir kamen relativ gut voran. Wir merkten nur alle die Höhe. Mir ging es ab der Mitte der Wand solala, also gab es erst mal einen großen Schluck Elektrolytlösung. Danach ging es besser. Aber wären wir an die Höhe besser angepasst, hätten wir ein deutlich höheres Tempo gehen können. So benötigten wir für die Wand ganze 4 Stunden. Gut okay, Marius hat auch recht viel Pausen benötigt, weil er dieses konstante Steigen nicht gewöhnt ist, aber sei ihm gegönnt! Bei der ersten Nordwand ist das noch verständlich.

Als wir am Serac ankamen, wurden wir nochmals etwas ausgebremst. Hier wurde es nicht nur steiler (bis 55°), sondern der Firn wurde weniger, und es kam teils Blankeis durch. Hier entschlossen wir uns, kein unnötiges Risiko einzugehen, und sicherten eine Seillänge 60m mit Eisschrauben und holten das Seil aus dem Rucksack. Danach war der Firn wieder wunderbar, und so standen wir kurz nach 9 Uhr am Gipfel des Bluemlisalphorns und freuten uns über die soeben durchstiegene Nordwand.

Da wir alle nicht gut geschlafen und nicht erholt waren, entschlossen wir uns gegen die Überschreitung und für den Abstieg über den Westgrat, bzw Normalweg. Dieser ist meist wohl tricky durch abwärtsgeschichtete Platten, wo man viel an Stangen abseilen muss. Bei uns lag noch so viel Firn auf den Platten, dass ein entspanntes herabgehen, teils auch rückwärts runter pickeln mühelos möglich war.

Angekommen untem am Gletscher war es plötzlich sehr warm. Das machte uns zu schaffen, und vor allem Steve und ich hatten einen spürbaren Leistungseinbruch, der uns verlangsamte. Wir wollten einfach nur noch runter von dem Gletscher, weil mittlerweile der Schnee auch sulzig wurde.

So freuten wir uns, etwa um 12:30 Uhr an der Hütte anzukommen, dort eine Cola zu trinken, etwas zu essen und einfach etwas Pause zu machen.

Leicht erholt machten wir uns an den dann folgenden Abstieg ins Tal.

Dieser ging problemlos vonstatten, nur kamen uns ganze Heerschaaren von Wanderern und Bergsteigern entgegen. Klar, eine Hütte mit 100 Plätzen, die ausgebucht ist, irgendwo müssen die Leute ja herkommen. :)

Angekommen am Oeschinensee überlegte ich mir, noch kurz rein zu springen, verzichtete aber heute darauf. Vielleicht ja beim nächsten Mal. Aber der Rückblick zum Bluemlisalphorn, welches weit oben über dem See thronte, war sehr beeindruckend! Jedes mal, wenn ich einen Berg bestiegen habe und ihn dann von weitem anschaue, denke ich mir: Wahnsinn, da war ich vor einigen Stunden noch oben...

Die Schweiz hat mir wieder gezeigt, dass ich sie häufiger besuchen sollte. Bis bald! in 2 Wochen bin ich ja schon wieder dort, allerdings für einen Traillauf :)

© 2021 Patrick Wörner

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